Ducati Leser-Experience

Philipp Korntheuer

Übernahme

Bereits die Übernahme der Multistrada V4S GT hat Spaß gemacht. Max und seine Kollegen vom Ducati Store Mainz hatten alles prima vorbereitet und nach einer lockeren, aber ausführlichen Einweisung in das intuitive Bedienungsmenü konnte ich den Heimweg ins Nördlinger Ries antreten. 

Auf der gewählten 300km langen Überlandstrecke habe ich erste Erfahrungen sammeln und mich an das Motorrad gewöhnen können, denn der Tourstart sollte bereits am nächsten Tag sein. Beim Übersetzen mit der Fähre über den Rhein kam erste Urlaubsstimmung auf. 

Schon in den ersten Stunden zeigte sich wie komfortabel die Sitzposition auf der Multistrada auch für großgewachsene eingestellt werden kann. Mit 1,93m Körpergröße wählte ich die hohe Sitzposition und fühlte mich direkt wohl. 

Tourverlauf

Das Gepäck lag bereit, und den Tourverlauf hatten mein Begleitfahrer Armin und ich Tage vorher schon geplant und erarbeitet. 

Es galt natürlich eine passende Tour zum Kurzurlaub mit der Multistrada zu finden. Da musste der Name Programm sein. Letztendlich sah der Plan vor, so viele Straßentypen wie möglich einzubauen. Die Randbedingung war, in 5 Tagen mindestens 2500km zurückzulegen.

Basis der Streckenführung bildete die berühmte, ca. 680km lange „Tour des Grandes Alpes“ in Frankreich mit ihren 17 Hochalpenpässen von Thonon les Bains am Genfer See bis an die Côte d'Azur bei Menton. 

Hinzukommen sollten für den Hinweg Landstraßen durch die Schwäbische Alb und das malerische obere Donautal mit lang geschwungenen Kurven entlang des Flussverlaufs. 

Fahrtechnisch anspruchsvoll erweitert werden sollte das Straßenspektrum durch kleine abgelegene Pass- und Verbindungsstrecken in den ligurischen Seealpen, sowie in den Südalpen enge Pässe wie den einspurigen Passo del Vivione und den Paso di Gavia. Als Ausklang der Runde am letzten Tag waren Stilfser Joch, Hahntennjoch und das kleine aber feine Namloser Tal geplant.

1.Tag: Nördlinger Ries bis Genfer See

Die erste Etappe führte Armin auf seiner K1600Gt und mich auf der Multistrada über knapp 600km bis an den Genfer See. Vielversprechend begann der Tag mit blauem Himmel und Sonnenschein, der uns bis westlich des Bodensees begleitete. Das obere Donautal war mit den Felsbögen und hügeligen Landschaften ein schöner Einstieg in die Reise. 

Weniger Glück hatten wir nachmittags in der Schweiz. Hier regnete es die komplette Strecke, sodass wir die ursprünglich geplante Route verließen und auf kürzestem Weg den Genfer See über Bundesstraßen ansteuerten. Schade. Auf dieser Strecke kam auch zum ersten Mal der Tempomat ausgiebig zum Einsatz und schützte im schweizerischen Tempolimit. Entsprechend froh waren wir am Abend nach 13 Stunden in Thonon les Bains auf der französischen Seite des Genfer Sees angekommen zu sein und die nassen Sachen in der im Vorfeld gebuchte kleinen Ferienwohnung zum Trocknen aufhängen zu können. Gerade noch rechtzeitig um den Tag bei einem leckeren Abendessen auf einer Strandterrasse am Seeufer ausklingen zu lassen. 

2.Tag: Thonon les Bains bis Briançon

Feierlich machten wir direkt zu Tagesbeginn die obligatorischen Fotos am offiziellen Startpunkt der „Route des Grandes Alpes“ in der Innenstadt von Tholon. Früh am Morgen war der Platz auch noch fast menschenleer, nur eine Gruppe Rennradfahrer sammelte sich zum Fototermin. Für die RdGA hatten wir eineinhalb bis zwei Tage angesetzt. Bei 17 Pässen muss man immer damit rechnen, dass Streckensperrungen eine Routenkorrektur erfordern können. Es gibt viele Alternativstrecken und an der Route liegen zahlreiche Campingplätze und Unterkünfte, sodass man hier flexibel bleiben kann. Wir hatten uns für die Zeltlösung entschieden und entsprechende Ausrüstung dabei. Auch der 2.Tag blieb nicht gänzlich regenfrei. Aber selbst mit wolkenverhangenem Himmel ist die Landschaft der Grandes Alpes atemberaubend. Erste Schneefelder unterstrichen den hochalpinen Charakter der Strecke. Zeit für die Heizgriffe! Am Col de l´Iseran stockte dann die flotte Fahrt. Der höchste der Pässe war aufgrund eines aktuellen Murenabganges unpassierbar und gesperrt. Die resultierende Alternativstrecke brachte zusätzliche 100 km auf den Tacho und drohte das angepeilte Tagesziel deutlich zu verschieben. Letztendlich kurvten wir bis kurz vor Sonnenuntergang und schlugen im letzten Tageslicht die Zelte in Briançon auf. Gekocht wurde im Schein der Stirnlampen Chili aus der Dose, da kamen Jugenderinnerungen auf. Der größere Koffer der Multistrada steht stabil und gibt bei Bedarf einen praktischen Hocker oder auch kleinen Tisch ab.

3.Tag: Briançon bis Menton  

Trotz notwendigen Zeltabbaus waren die Seitenkoffer und die Gepäckrolle morgens schnell gefüllt und wieder sicher am Motorrad verstaut. So erklommen wir bereits um halb acht den noch fahrzeug- und menschenlehren Col d´Izoard. Schneefelder und Wolkenfetzen boten eine einmalige Stimmung. Schmelzwasserläufe auf den Kehren erforderten spezielle Aufmerksamkeit. Der weitere Streckenverlauf machte richtig Spaß und der zweite Pass an diesem Tag, der Col de Vars, war schnell genommen. Bei der Auffahrt zum Col de la Cayolle offenbarte der Blick auf die Reichweitenanzeige noch 85 mögliche Kilometer. Das sollte ja für einen weiteren Pass ausreichen, schließlich mittelt sich der Verbrauch ja aus Auf- und Abstieg, dachten wir. Nach weiteren 25 km war der höchste Punkt des Col de la Cayolle erreicht und die angezeigte Reichweite auf bedrohliche 11km zusammengeschmolzen. Auch die nächsten 4km im Schiebebetrieb bergab ließen keine große Hoffnung aufkommen. 9km Reichweite - die nächste Tankstelle gut 25-30km entfernt - Zeit für einen Plan B. Rettung brachte ein abseits gelegener, kleiner Bergbauernhof mit Gästezimmern in Estenc, erreichbar über eine 1500m lange, stark abfallende einspurige Schotterstrecke. Glücklicherweise kein Problem für die Multistrada, trotz vollen Gepäcks. Die sehr freundlichen Besitzer des Hofes halfen uns mit zwei kostbaren Litern Super aus, sodass wir wenig später die rettende Tankstelle im Tal erreichten. Die folgenden vier Pässe waren wieder die reine Freude. Atemberaubende Landschaft, gute Straßenverhältnisse, trockenes Wetter und ein tolles Motorrad – perfekt. Erst am Nachmittag zog sich der Himmel wieder zu und es begann erneut leicht zu regnen. Eigentlich zu wenig Regen für die Regenkombis. „Das geht schon noch, da hinten wird’s heller!“ waren wir uns einig. Auf einem Streckenabschnitt ohne Halte- oder Unterstellmöglichkeit erwischte uns dann ein so starker Wolkenbruch, dass sich die Regenkombis erledigt hatten. Bis Ortseingang Menton am Mittelmeer hielt der Regen an, um dann unvermittelt in Sonnenschein bei 27°C umzuschlagen. Nass und schwitzend erreichten wir die Uferstraße am Meer. Klare Entscheidung - heute kein Zelt, sondern Hotel direkt hier am Strand! Wenige Zeit später schlenderten wir in kurzer Hose und T-Shirt über die Strandpromenade und ließen den Tag später bei einem guten Abendessen im belebten Stadtzentrum gemütlich ausklingen. Derweil trocknete die Ausrüstung und die Motorräder standen im sicher überwachten Innenhof des Hotels.

4. Tag Menton bis Bergamo

Menton ist das zweite Ende der RdGA, auch hier gibt es einen „Gullideckel“, der den Punkt markiert. Nach einem frühmorgendlichen Bad im Meer am noch menschenleeren Strand und einem ausgiebigen Frühstück starteten wir in den Tag. Die Straßen der Innenstadt waren noch kaum befahren und die „Beweisfotos“ am Endpunkt der Route des Grandes Alpes schnell gemacht. Wenig später erreichten wir den Stadtrand, überquerten die Grenze nach Italien und tauchten Richtung Nordosten in die kleinen Straßen ein, die sich durch die ligurischen Seealpen winden. Sehr, sehr keine Straßen, genaugenommen. Die nächsten vier Stunden ging es über einspurige, verschlungene und verfallene Wegstrecken durch Olivenhaine, Wälder und wilde Natur. Ab und an tauchten auf Nachbarhügeln Siedlungen aus eng ineinander verschachtelten Häusern auf, die sich wie Vogelnester an die Hänge schmiegten. Postkartenansichten wohin das Auge blickte. Außer einem Rudel wilder Hunde und einem verwundert dreinschauenden Esel ist uns niemand begegnet. Schnell wurde aber klar, dass unser Zeitplan auf dieser Art von Wegstrecken nicht wirklich einzuhalten war. Hinzu kam, dass bei einem kleinen Zwischenstopp unser Blick auf die Reifen der K1600GT meines Reisebegleiters fiel. Das sah doch vor zwei Tagen noch ganz anders aus! Wo ist denn das Profil hin? Die zügige Fahrt durch die Grandes Alpes hatte offensichtlich deutlich ihren Tribut gefordert. Mehr als erwartet hatte sich das Profil seitlich abgerubbelt. So konnten wir definitiv nicht weiterfahren. Umgehend änderten wir die Route und steuerten die Küstenstatt Taggia an. 8 Telefonate, 2 Cappuccinos, 2 Milchkaffees, 2 Colas, eine defekte Tankstelle und 4 aufgesuchte Reifenhändler später stand die K1600GT neu besohlt in Sanremo vor uns. Mittlerweile war es 16:30 Uhr und wir hatten seit dem Morgen sagenhafte 60km Luftlinie der geplanten 600km Wegstrecke hinter uns gebracht. Letzte Chance das Tagesziel Bergamo noch zu erreichen war es, die Distanz per Autobahn abzuspulen. Das Navi der Ducati kündigte eine Ankunftszeit von 20:30 Uhr an. Alles im grünen Bereich. Doch kaum starteten wir aus Sanremo, verdunkelte sich der Himmel und es begann auf ein Neues zu regnen. Gerade waren wir in die Regenkombis gehüllt auf die mautpflichtige Autobahn aufgefahren, standen wir nach nur 6km entspannter Fahrt auch schon bei 27°C kurz nach Einfahrt in einen Tunnel im Stau. Vollsperrung aufgrund eines Unfalls. Was für ein Tag!

Nach dem Stau hörte der Regen auf und die Multistrada bewies ausgiebig ihre Langstreckenqualitäten. Noch nie bin ich mit einem Motorrad so viele Stunden Autobahn am Stück derart bequem dahingeschwebt. Tempomat auf landesübliche 110-plus km/h, entspanntes Anlehnen an die Gepäckrolle und den Blick über die Landschaft gleiten lassen. Abstandskontrolle und Totwinkelassistent machen es nochmal angenehmer und sicherer. Der Verbrauch pendelte sich bei Tempo 120 mit 5,6 Litern ein.

Für das Zelt war es dann an diesem Tag einfach zu spät und wir kamen nördlich von Bergamo am Lago del Endine im „Mobile Home“ auf einem Campingplatz unter. Das Besitzerehepaar hatte sich am Telefon bereiterklärt auf uns zu warten. Ankunft war 22:50 Uhr, natürlich im Regen! Serpentinen bei Nacht und Regen, den Haken konnten wir nun also auch setzen. Das „Feierabendbier“ aus der Dose schmeckte an diesem Abend unfassbar gut! 

5.Tag: Lago del Endine bis Nördlinger Ries.

Der letzte Abschnitt der Tour lief überraschend glatt. Wir starteten wieder früh und erreichten schnell den einspurigen Passo del Vivione. Großartige Landschaft und pure Natur ließen die langsame Fahrt zum Wandererlebniss werden. Fast ebenso eng geht es auf der Südseite des Paso di Gavia zu, allerdings mit deutlich höherem Verkehrsaufkommen. Das schmale leitplankenlose Asphaltband schlängelt sich großteils direkt am Abgrund entlang. Auf der Passhöhe trauten wir unseren Augen kaum. Dort standen drei historische englische Fahrzeuge aus den 1920er Jahren auf ihrer Fahrt durch die Alpen. Große Aufkleber zeichneten sie noch als Teilnehmer des Goodwood Revivals 2022 aus. Umrandet von Schnee, Wolken und Nieselregen boten sie ein unglaubliches Bild. Nach einer Schneeballschlacht startete das kleine Fahrerfeld die großvolumigen Motoren und brummte in den offenen Wagen dem Tal entgegen. Irre. 

Der Abstieg von der wolkenverhangenen Passhöhe des Passo di Gavia brachte uns schnell wieder trockene Straßenverhältnisse, die auch über das Stilfser Joch und das Hanten Joch anhielten. Schöner kleiner Abschluss der gesamten Tour war dann noch das Namloser Tal mit seinen langgezogenen Kurven mit erstklassigem Asphalt. 

Die letzten Kilometer legten wir dann auf der Bundesstraße über Landsberg und Augsburg zurück, selbstverständlich begann es erneut zu regnen.

Meine Erfahrung mit der Multistrada

Die Multistrada ist schon ein beachtlich ausgestattetes Motorrad, wobei mir das Fahrverhalten selbst aber eigentlich am besten gefallen hat. Der Motor schiebt ab 4000 Umdrehungen beeindruckend vorwärts. Überholvorgänge sind so in kürzester Zeit abgeschlossen, da er das Motorrad praktisch vorbeikatapultiert. Im Gegenzug ankert die Bremse ebenso kraftvoll und lässt sich dabei präzise dosieren. 

Das über das Bordmenü vielseitig einstellbare Fahrwerk bot mir im Touring Modus eine tolle Balance zwischen Komfort und Sportlichkeit. Zusammen mit der gewählten Stufe 3 (von 8) der Wheelie-Kontrolle steht grundsätzlich volle Motorleistung zur Verfügung, aber das Vorderrad bleibt weitgehend am Boden. Nur wenn man es drauf anlegen möchte, würde die Multistrada bei dieser Einstellung in den ersten 2 Gängen noch das Vorderrad hochnehmen. 

Das Ducati Quick Shift System arbeitet prima, genutzt habe ich es aber eher selten.

Über den Abstandstempomat habe ich im Vorfeld noch gelacht: „Wer braucht denn so was?“ Auf der gezwungenen längeren Autobahnetappe von Sanremo bis Bergamo habe ich ihn dann aber zu schätzen gelernt. Sicher im Tempolimit unterwegs und einfach mal die Gashand ausschütteln. - Toll.

Griffheizung nebst Handprotektoren in Verbindung mit dem höhenverstellbaren Windschild haben mich die täglichen Regenabschnitte der Tour deutlich entspannter überstehen lassen.

Die beiden Alukoffer boten auf der Tour üppigen Platz. Im Alltagsbetrieb zeigte sich, dass beispielsweise eine komplette Motorradausrüstung bestehend aus Helm, Stiefeln, Textilhose und Jacke, Handschuhen und Nierengurt problemlos verstaut werden können. 

Der Benzinverbrauch pendelte sich über die 3100 km bei durchschnittlich 5,8Litern/100km ein.

Da ich selbst ein altes, deutlich leistungsschwächeres Motorrad ohne jegliche Regelsysteme fahre, hatte ich im Vorfeld ehrlich Respekt vor der 170PS starken Multistrada. Nun kann ich sagen, dass das wirklich unbegründet war, da sich das Motorrad richtig gut beherrschen lässt und mir speziell im Tour-Modus immer ein sehr sicheres Fahrgefühl vermittelte. Besonders im Überholvorgang kann das Leistungsplus sogar ein echter Sicherheitsgewinn sein. Letztendlich ist sicheres Fahren eher eine Kopfsache. Die Multistrada trägt jedenfalls ihren Teil zum sicheren Fahren bei, sie bietet an Sicherheitssystemen vermutlich alles, was derzeit erhältlich ist.

Insgesamt war „meine“ Multistrada genau das richtige Eisen für die Tour und der Abschied am Sonntag in Wilburgstetten bei „Italienische Motorräder Andreas Schilling e. K.“ fiel nicht so leicht wie gedacht.

Vielen Dank an das Team von Ducati für die außergewöhnliche Gelegenheit, dieses mächtige Motorrad eine Woche lang frei bewegen zu dürfen. Ein tolles Erlebnis!

Wir bedanken uns bei Philipp Korntheuer für seinen Beitrag zu unserer 60.000 km Leser-Experience. 

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